Reise in die Zeit der Brennscheren

Im Blickpunkt der Rheinpfalz im Juli 2006

Friseursalon Christa feiert 50-jähriges Bestehen - Sonderaktion zur Kerwe: Haare schneiden spätnachts

Ältere Kundinnen fragen immer noch nach "Walli". Wenn sie mal nicht im Geschäft ist, machen sie sich beinahe schon Sorgen um Wallburga Pfirrmann, Seniorchefin des Salons "Christa". Der ist in Gommersheim eine Institution, und das seit einem halben Jahrhundert. Seit 15 Jahren hat nun schon die Tochter, Christa Linzenmeier, die Regie im Friseurbetrieb am Dorfplatz 2 übernommen. Aber die mittlerweile 75 Jahre alte Gründerin gehört noch lange nicht zum alten (Brenn-)Eisen. Denn eine Friseurin, noch dazu auf dem Dorf, ist vor allem für Frauen eine Bezugsperson. Und viele Kundinnen sind mit Walburga Pfarrmann groß geworden. Seit 5o und mehr Jahren begeben sie sich in ihre Obhut. Heute auch in die von Christa Linzenmeier und ihrem Team. Als Lehrmädchen in Speyer musste die aus Freisbach stammende Walburga Pfirrmann Mitte der 4oer Jahre im Winter noch "Butzle", Kiefern zapfen aus dem Wald, zum Heizen mit in den Betrieb bringen. Als sie zuerst als Gesellin in dem damaligen Gommersheimer Friseursalon in der Röderstraße arbeitete, war Brennstoff Mangelware. Die Kunden mussten im Winter eigene Briketts in den Ofen stecken. Und auch das Geld war knapp. Aber Milch, Eier und an dere Naturalien waren als Zahlungsmittel ebenfalls akzeptiert.

1956 machte sich Pfirrmann seit ihrem Meisterbrief in der Tasche selbstständig. Anfangs arbeitete sie noch alleine. Aber ihr Mann, der bei der Bahn angestellt war, half bei der Haarwäsche. Die wurde anfangs noch mit dem Wasser aus dem eigenen Brunnen im Hof erledigt. Ab 1968 bezogen die Pfirrrnarms das Haus am Dorfplatz 2, dort war fortan ihr Salon. Geregelte Arbeitszeiten gab es auf dem Land nicht. Gornmersheim ist ein Dorf voller Landwirte. Da war die ganze Familie tagsüber auf dem Feld oder im Wingert. Ein Friseurbesuch war nur am späten Abend drin. "Manchmal sind die Bauern nach der Arbeit daheim erst einmal erschöpft eingeschlafen. Als sie dann urn elf Uhr wieder aufgewacht sind, fiel ihnen ein, dass sie ja zum Friseur wollten", erinnert sich Pfarrmann lachend. Und die viel beschäftigten Mütter schickten oft einfach ihren Knirps als Platzhalter ins Wartezimmer. Man musste sich der örtlichen Kundschaft anpassen. In den vergangenen 5o Jahren ist das Friseurhandwerk nicht stehen geblieben, davon kann Walburga Pfirrmann Bände erzählen. Geschnitten wird zwar immer noch mit der Schere, aber mit einer titanbeschichteten und speziell geschliffenen, für die beim Friseurbedarf mehrere hundert Euro hingeblättert werden. Alte Geräte indessen bewahrt die Familie Pfirrmann/Linzenmeier noch in den Schränken auf. Heute dienen sie zu Dekorationszwecken fürs Schaufenster: Ein zerstochener Perückenhalter aus Holz, einige angelaufene Rasiermesser der gefährlichsten Sorte. Besonders die Brennscheren und Kreppeisen erinnern daran, wie Haare früher in die Zange genommen wurden. "An einer alten Zeitung haben wir aus probiert, ob das Eisen noch zu heiß ist", erzählt Walburga Pfarrmann. Später gab es einen Apparat, auf dem die Lockenklemmen, die so genannen "Petzen" auf die Zieltemperatur erhitzt wurden. Heute arbeitet man mit Chemie und Trockenhaube. Eine kleine Zeitreise in die Zeit der Brennscheren hat es in den vergangenen sechs Wochen im Salon "Christa" schon gegeben. Während die zur Straße hin liegenden Geschäftsräume renoviert wurden, sind die sechs Friseurinnen auf die dahinter liegenden Räumlichkeiten ausgewichen. Und bei gutem Wetter haben die Kunden auch einen Schnitt auf der Terrasse genießen dürfen. Das Arbeiten auf engstem Raum sei gewöhnungsbedürftig gewesen, berichten die Friseurinnen aus dem Team. Aber dann sei zwischen den Kunden und ihnen eine richtige "Erzählcafe"- Stimmung aufgekommen. Es war fast ein wenig wie bei "Walli" früher. Die Älteren fingen an, unter Trockenhaube und mit Lockenwicklern Geschichten zu erzählen, aus der Zeit, als Wohnraum und Salon nicht so strikt getrennt waren. Mit Jubiläumsangeboten und kleinen Überraschungen feiert der Friseursalon während der Gommersheimer Kerwe heute und morgen. Wer sich anmeldet, kann sich wie in den Anfangszeiten auch spätnachts noch die Haare schneiden lassen. Denn von Freitag auf Samstag ist das Team von Christa Linzenmeier rund um die Uhr im Einsatz.